In Bocholt werden zu wenig Erzieher ausgebildet

Weniger Anmeldungen und Abschlüsse

Auf die Kitas in Bocholt und überall dort, wo Erzieher gebraucht werden, sieht die Leitung des August-Vetter-Berufskollegs schwere Zeiten zukommen.

August-Vetter-Berufskolleg: In Bocholt werden zu wenig Erzieher ausgebildet

Weniger Anmeldungen und Abschlüsse

Am Samstag, 29. Juni, entlässt das August-Vetter-Berufskolleg 47 angehende Erzieherinnen und Erzieher. Für sie beginnt nun das eigentliche Berufsleben. Für Schulleiterin Susanne Temminghoff und ihre Stellvertreterin Anne Berger ein Grund zur Freude. Und trotzdem machen sich die beiden „Gedanken, wie das wohl werden wird“, wenn sie an die Situation dieses Berufsstandes in der Region denken. Den Hintergrund bildet der Umstand, dass ihr Berufskolleg die einzige Ausbildungsstätte für Erzieher im Südkreis Borken ist, deren Einzugsgebiet bis zum Niederrhein reicht. Daher habe die Schule einen guten Überblick über „die Zahlen“, erklärt Susanne Temminghoff.

Sie gibt zu bedenken: „Der Bedarf an Kita-Plätze und auch an Personal ist gestiegen.“ Die Kinder kämen immer jünger in die Kita, und die Eltern meldeten immer längere Betreuungszeiten an. Dem stehe jedoch entgegen, dass inzwischen „eher weniger“ ausgebildete Erzieher die Fachschule verließen.

Die Schulleiterin blickt zurück: In den vergangenen Jahren habe der Schnitt der Erzieher, „die wir entlassen haben“, bei 60 gelegen. Nun sei die Zahl der Absolventen „unter die 50 gerutscht“. - „Insgesamt sinken die Anmeldezahlen“, berichtet Temminghoff, „also haben wir weniger Interessenten für die Ausbildung.“ Zugleich wachse die Zahl der Studierenden, die ihre Ausbildung nicht abschlössen. Damit sinken während der dreijährigen Ausbildung die Klassenstärken. Temminghoff resümiert: „Es gibt auf der einen Seite einen erhöhten Bedarf auf dem Markt, es kommen aber keine jungen Leute nach, die diesen erhöhten Bedarf decken können.“

Auch die Ausbildung selbst habe es schwer, betont Anne Berger. Die Anleitung und Begleitung der auszubildenden Erzieher werde „immer schwieriger, weil sich der Personalmangel durch alle Bereiche der Kita zieht“. Sehr häufig sei nämlich „in ganz vielen Zusammenhängen“ zu hören, dass Termine, Gespräche, Hospitationen verschoben werden müssten oder entfielen, „weil kein Personal da ist“.

Auch gebe es vermehrt Anträge auf Befreiung vom Schulunterricht, „auch eben aufgrund des Bedarfs in den Einrichtungen“, ergänzt Susanne Temminghoff. Ausnahmsweise und aus gutem Grund sei das in Ordnung, „aber wenn es darum geht, einen grundsätzlichen Personalbedarf abzudecken, sollte das so nicht laufen“. Zumal die Ausbildung „gefährdet“ sei, „wenn hinterher Dinge fehlen“.

Temminghoff spricht gar davon, dass auszubildende Erzieher bisweilen „verheizt“ würden, wenn Einrichtungen recht bald von ihnen erwarteten, dass sie „sehr viel schneller Dinge allein tun können, alleine bewältigen sollen, die sie eigentlich nach ihrem Ausbildungsstand noch gar nicht können und auch noch gar nicht tun sollen“. Zum Beispiel eine Gruppe allein zu betreuen. Die Auszubildenden müssten dann „ihre eigenen Ausbildungsbedürfnisse hintanstellen, um die Not in der Einrichtung mitabzudecken“.

Sie wolle den Kitas hier „nichts Schlechtes nachreden“, unterstreicht die Schulleiterin. Die geschilderten Schwierigkeiten seien „natürlich ein Signal dafür, dass denen ja auch das Wasser bis zum Hals steht und sie gar nicht mehr wissen, wie sie ihren Alltag noch bewältigen sollen“. Da seien Mängel in der Ausbildung „ein Symptom“. Es gebe ja auch andere Arbeitsfelder, auf denen Erzieher arbeiten könnten, gibt Anne Berger zu bedenken. Sie deutet auf die OGS, bei der Experten kürzlich kritisiert hätten, für den Personaleinsatz dort gebe es gar keine verbindlichen Rahmenbedingungen. Berger stellt fest: „Um Qualität in den Einrichtungen zu gewährleisten, brauchen wir Personal, und gleichzeitig wird Ausbildung immer schwieriger.“ Nach Lösungen werde überall gesucht, „aber die Antworten fehlen leider. Für einen ganz wichtigen Beruf: Es geht um die Ausbildung unserer Kinder.“

Rund 180 angehende Erzieher in Bocholt

Susanne Temminghoff, Schulleiterin des August-Vetter-Berufskollegs an der Dinxperloer Straße, weist auch auf die Jugendhilfe hin: „In den Wohngruppen, den Heimbereichen, wo Kinder untergebracht werden, die nicht mehr zu Hause sein können, arbeiten auch sehr viele Erzieher.“ Darüber sei zu hören, „dass da der Personalmangel zum Teil sogar noch viel größer ist, aber in der Öffentlichkeit nicht so eine Wirkung hat, weil die Kinder, die dort leben, wenig Lobby haben.“ Das finde „eher im Verborgenen statt“.

Das August-Vetter-Berufskolleg hat nach eigenen Angaben rund 360 Schüler, von denen etwa die Hälfte die Fachschule für die Ausbildung zum staatlich anerkannten Erzieher besucht. Davon wiederum absolvieren etwa zwei Drittel die Praxisintegrierte Ausbildung (PIA), bei der die Absolventen einen Ausbildungsvertrag mit einer Einrichtung haben; die besuchen sie an zwei bis drei Tagen in der Woche. Das dritte Drittel der angehenden Erzieher besucht das Berufskolleg in Vollzeit, das heißt: Die ersten beiden Jahre der dreijährigen Ausbildung finden ausschließlich in der Schule statt; das dritte Ausbildungsjahr besteht aus einem Berufspraktikum in einer sozialpädagogischen Einrichtung.

 

Quelle:

BBV

Samstag, 29. Juni 2024 - 13:00 Uhr

von Hans Georg Knapp

© Sven Betz