Akademikerin Christiane Schulten arbeitet lieber in der Kita als im Labor 

Auf Umwegen zur Erzieherin -

In ihrer Kita-Gruppe macht Christiane Schulten den Kindern gern Musikangebote. Auch das kann man an der Fachschule für staatlich anerkannte Erzieher am Berufskolleg August Vetter lernen. 

In ihrer Kita-Gruppe macht Christiane Schulten den Kindern gern Musikangebote. Auch das kann man an der Fachschule für staatlich anerkannte Erzieher am Berufskolleg August Vetter lernen. 

Dabei sei ihr „schon ziemlich früh“ klar gewesen, dass sie Erzieherin werden wolle, sagt die 27-jährige Schülerin des August-Vetter-Berufskollegs in Bocholt. „Das war eigentlich immer mein Ding.“ Sie habe zwei jüngere Cousinen, mit denen sie gespielt habe. Und als Babysitterin habe sie auf zwei jüngere Kinder aufgepasst. Damals sei sie erst zwölf gewesen. „Das hat mir da immer schon Spaß gemacht“, blickt die Rhederin zurück. 

Heute besucht sie am Berufskolleg die Fachschule für staatlich anerkannte Erzieher. Bis dahin war es allerdings ein längerer Weg - obwohl Schulten in der zehnten Klasse ein Praktikum in einer Kindertagesstätte gemacht hatte. In derselben Kita, wo sie heute praxisintegriert ausgebildet wird: bei den „Von-Rethe-Kids“ des DRK am gleichnamigen Weg in Rhede. 

„Ich wollte das eigentlich schon immer machen“, unterstreicht Christiane Schulten. Sie entschloss sich jedoch, nach dem Abitur Lebensmitteltechnologie in Ostwestfalen zu studieren. Warum? „Das hat mich halt interessiert“, sagt Schulten. Doch spätestens bei ihrer betrieblichen Masterarbeit zum Thema Prozess-Optimierung sei ihr klar geworden, dass sie das beruflich nicht machen wolle. „Der Umgang mit den Menschen hat mir viel mehr Spaß gemacht“, hat Schulten festgestellt. Mit Freundinnen habe sie sich über deren Erzieherinnenausbildung unterhalten. Ihre Erkenntnis: „Das ist das, was mir wirklich Spaß macht.“ 

240-stündiges Pflichtpraktikum

Also absolvierte Schulten nach dem abgeschlossenen Studium ein 240-stündiges Pflichtpraktikum an einer Kindertagesstätte und war dort anschließend noch „Alltagshelferin“ in der Küche und auch in der Gruppe. 

Mittlerweile ist sie im zweiten Jahr ihrer Praxisintegrierten Ausbildung (PIA), in dem sie zwei Tage pro Woche im Bocholter Berufskolleg ist und die drei übrigen Werktage in der Rheder Kita. Bis zu ihrem Abschluss hat sie noch etwa ein Jahr. 

Der Beruf Erzieher/in, so sagt Susanne Temminghoff als Schulleiterin des August-Vetter-Berufskollegs, habe seine Tücken: Etwa in der Kita sei es oft laut, der Rücken sei schnell belastet (zum Beispiel durch die kleinen Kita-Stühle), Kinder kämen gefühlt immer weniger erzogen in die Kindergärten, und hinzu komme ein massiver Personalmangel, der zu einer wachsenden Belastung werde. Warum also will eine Akademikerin wie Christiane Schulten Erzieherin werden? 

„Ich gehe auf die Menschen offen zu“

„Weil es mir persönlich sehr viel Spaß macht“, antwortet die junge Frau. Sie sehe diese Tätigkeit auch gar nicht als „so große Anstrengung“. Im Gegenteil: Sie gehe gern zum Arbeiten in die Kita. „Sehr schön“ an diesem Beruf finde sie, „den Kindern einen guten Weg ins Leben zu ebnen“. 

Die Voraussetzungen, die Schulleiterin Temminghoff hierfür nennt - auf andere Menschen zugehen und aus sich selbst herausgehen können - sieht Schulten bei sich gegeben: „Ich gehe auf die Menschen offen zu“, sagt sie und meint damit nicht nur die Kinder, sondern auch deren Eltern. Wenn es in der Kita laut werde, könne sie die Kinder in die Turnhalle lassen oder nach draußen. Freilich könne es „schon etwas stressiger“ werden, wenn Kolleginnen krank seien; aber das sei eher die Ausnahme: „In der Gruppe“ von 24 Kindern zwischen zwei und fünf Jahren seien die Erzieherinnen mit ihr in der Regel zu viert. „Wir sind gut besetzt“, sagt Schulten. 

Davon profitiere auch ihre Ausbildung: Stehe zum Beispiel eine Hospitation an, bei der ein Lehrer aus der Fachschule ihre praktischen Fähigkeiten prüfe, könne sie „viel dafür üben“. Und sei sie tatsächlich kurzzeitig allein mit den Kindern, sei das gut zu händeln. 

Der Clou aber ist: Die „Von-Rethe-Kids“-Kita, ihre jetzige Ausbildungsstätte, hat Christiane Schulten als Kind selber besucht. Zwei ihrer Kolleginnen „waren meine Erzieher“, berichtet sie lächelnd. „Die kennen mich ganz gut.“ 

Worauf sich Christiane Schulten als ausgebildete Erzieherin am meisten freut

Wenn Christiane Schulten auf das Ende ihrer Ausbildung in einem Jahr blickt, freut sie sich darauf, „dass ich so in dem Beruf arbeiten kann, wie ich mir das vorgestellt habe“. Besonders gern mache sie den Kita-Kindern Musikangebote, arbeite mit Klanggeschichten und Bilderbuchbetrachtung. „Ich gucke mir gern mit den Kindern Bücher an“, sagt die 27-Jährige. Als Beispiel nennt sie Kamishibai, ein Erzähltheater mit großen Bildern und ohne Text. So komme sie mit den Kindern darüber ins Gespräch, und natürlich habe das mit dem Erwerb von Sprachkompetenz zu tun: „Kommunikation ist da ein ganz großer Punkt.“ 

Schön findet Christiane Schulten an ihrem Beruf auch, dass die Arbeitszeit geregelt sei, dass es keinen Dresscode gebe, dass man jeden Tag auch draußen sei und dass man „in der Gestaltung sehr frei ist“. Als Erzieherin bekomme sie von den Kindern „ganz viel zurück - sie zeigen, dass sie Sachen gut finden, sind ganz ehrlich, wertschätzen die Arbeit auf ihre Weise“, sagt Schulten. Negative Kritik könne es natürlich auch geben, aber „das kommt nicht so oft vor“.

 

Quelle:

BBV

Dienstag, 2. Juli 2024 - 19:00 Uhr

von Hans Georg Knapp

Bocholt - Für eine angehende Erzieherin hat Christiane Schulten einen ziemlich ungewöhnlichen Berufsweg hinter sich. 

© Sven Betz